Mont-Saint-Michel: Vom Heiligtum zum Gefängnis und zurück

Shownotes

Seit dem 8. Jahrhundert, als der Erzengel Michael dem Bischof von Avranches erschien, hat die Insel eine reiche Geschichte durchlebt, von einer bedeutenden Pilgerstätte über ein Skriptorium bis hin zu einem der schlimmsten Gefängnisse Frankreichs.

Heute ist Mont-Saint-Michel ein UNESCO-Weltkulturerbe, berühmt für seine beeindruckende Architektur und als Symbol mittelalterlicher Baukunst und geistigen Strebens.

Wir geben dir Tipps für deinen Besuch dieser "Merveille" und wie du den vollen Charme dieses historischen Ortes am besten erlebst.

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Heute nehmen wir dich mit auf eine spannende Reise an einen Ort, den du über viele Jahrhunderte hinweg nur bei Ebbe erreichen konntest.

Dafür reisen wir in die Normandie, nahe der Küste im Nordwesten Frankreichs. Hier gibt es eine kleine felsige Insel, die eine ehemalige Abtei beherbergt und bei Flut für viele Jahrhunderte vom Festland getrennt war. Die Insel liegt etwa einen Kilometer vor der Küste, eingebettet in eine große Bucht. Diese Bucht ist Teil des Ärmelkanals, der das Vereinigte Königreich von Frankreich trennt. Die Gezeiten in dieser Bucht sind einige der stärksten der Welt. Der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser kann bis zu 15 Meter betragen. Das trägt zur Faszination des Ortes bei. Bei Flut sieht es so aus, als würde die Gemeinde im Wasser schweben. Wenn die Flut zurückgeht und die Bucht aufklart, wird sie zu einem natürlichen Reservat für verschiedene Vogelarten wie Säbelschnäbler und Fischadler. Über 130 Vogelarten findest du hier.

Gerade einmal 25 Einwohner beherbergt diese. Die Besucherzahlen hingegen belaufen sich auf etwa 2,3 Millionen Menschen jährlich. Nach Frankreichs Hauptstadt Paris ist das Inselchen die am häufigsten besuchte Touristenattraktion. 

Die Anfänge von Mont-Saint-Michel gehen auf das Jahr 708 zurück. Der Legende nach erschien dem Bischof von Avranches, Aubert der Erzengel Michael. Er gab ihm den Auftrag, eine Kirche auf der felsigen Insel zu errichten. Aber der Bischof folgte der mehrfach wiederholten Aufforderung nicht, bis der Engel ihm während des Schlafs mit seinem Finger ein Loch in den Schädel brannte. Dieser Anfang markiert nicht nur den Beginn der baulichen Entwicklung, sondern auch den Startpunkt für die geistige Bedeutung des Ortes. Hierher hat die Insel auch ihren Namen. 

Im Laufe der Jahrhunderte wuchs seine Bedeutung als Pilgerstätte. Im 10. Jahrhundert errichteten Benediktinermönche eine Abtei auf dem Gipfel des Felsens. 

Eine Abtei ist eine Art Kloster, das von einer Gemeinschaft von Mönchen oder Nonnen bewohnt wird, die unter der Leitung eines Abtes oder einer Äbtissin stehen. Sie sind oft wichtige religiöse Zentren, die eine entscheidende Rolle in der lokalen Gemeinschaft spielen. Sie können Schulen, Hospize, Gästehäuser und andere soziale Einrichtungen beherbergen. Historisch gesehen waren einige auch Zentren des Lernens und der Bewahrung von Wissen. Vor allem während des Mittelalters, als Mönche Manuskripte abschrieben und Gelehrsamkeit pflegten. 

Die Abtei , die von den Benediktinermönchen unter schwersten Bedingungen auf dem Hügel des Berges errichtet wurde, wurde über die Jahre hinweg stetig erweitert und umgebaut. Besonders in den romanischen und gotischen Epochen fanden bedeutende Baumaßnahmen statt. Diese haben zu ihrer beeindruckenden architektonischen Vielfalt beigetragen. Das romanische Element der Abtei zeigt sich besonders in der Abteikirche, die im 11. Jahrhundert errichtet wurde. Diese zeichnet sich durch ihre robusten Säulen und Rundbögen aus. Im 12. und 13. Jahrhundert kamen gotische Elemente hinzu. Diese sind in den hohen, spitz zulaufenden Bögen und den feinen Steinmetzarbeiten zu erkennen. Die gotische "Merveille", der westliche Teil der Abtei, ist besonders beeindruckend. Sie besteht aus zwei Stockwerken und beherbergt das Refektorium, den Rittersaal und das Dormitorium der Mönche.

Im Mittelalter erlebte Mont-Saint-Michel seine Blütezeit. Es wurde zu einem bedeutenden Zentrum der Gelehrsamkeit, das zahlreiche Mönche, Pilger und Gelehrte anzog. Sie beherbergte eine umfangreiche Bibliothek und ein Skriptorium, wo Mönche Manuskripte kopierten und studierten. Trotz der Isolation durch die Gezeiten war sie ein wichtiger Treffpunkt. Besonders bemerkenswert sind die zahlreichen Kinderwallfahrten aus Deutschland im 15. Jahrhundert. Allein aus der süddeutschen Reichsstadt Schwäbisch Hall zogen 1458 etwa 100 Knaben zu der Pilgerstätte.

Nach der Reformation und den folgenden religiösen Umwälzungen in Europa verlor der Ort an religiöser Bedeutung. Im Zeitalter der Aufklärung und danach wurde die Abtei sogar zeitweise als Gefängnis genutzt; insbesondere während der Französischen Revolution und dem Ersten Kaiserreich. Zwischen 15.000 und 18.000 Menschen saßen hier ein. Es erhielt den Ruf eines der abscheulichsten Gefängnisse Frankreichs. Infolgedessen verlor der Ort seine spirituelle Bedeutung und seinen Wert als Pilgerstätte. Viele Bauten zerfielen und die Bevölkerung der Ortschaft verarmte.

Das 19. Jahrhundert brachte eine Wiederentdeckung und Wertschätzung des kulturellen und historischen Erbes. Die Romantiker waren fasziniert von der pittoresken und dramatischen Erscheinung. Sie verherrlichten den Ort in Gedichten, Romanen und Gemälden und machten ihn auf diese Weise wieder in einem positiven Licht bekannt. Dies leitete die Restaurierung ein, die bis heute andauert.

Heute ist sie ein UNESCO-Weltkulturerbe und zieht jährlich Tausende von Besuchern an. Ihre beeindruckende Architektur und Geschichte machen sie zu einem Symbol mittelalterlicher Baukunst und geistigen Strebens. Ein Besuch bietet dir nicht nur einen Einblick in die Architekturgeschichte, sondern auch in das spirituelle und kulturelle Leben des Mittelalters.

Solltest du diesen historischen Ort einmal persönlich erkunden wollen, haben wir jetzt noch ein paar Tipps für dich. 

Etwa zweieinhalb Kilometer entfernt findest du einen Parkplatz und ein Informationszentrum. Von dort kannst du zu Fuß oder mit einem kostenlosen Shuttle-Bus auf die Insel gelangen. Der Weg führt dich über die neue Stegbrücke. Über diese gelangst du gezeitenunabhängig auf die andere Seite. Außer an einigen Tagen im Jahr, wenn der Gezeitenkoeffizient bei über 110 liegt. Dann ist die Flut so hoch, dass ein Überqueren nicht möglich ist und die Insel verschwindet gänzlich im Wasser. An diesen Tagen kannst du den ursprünglichen Charme des Ortes erleben. 

Wir empfehlen dir einen Besuch Frühmorgens oder Spätabends. Zum Einen hast du mehr Ruhe, zum Anderen entfaltet der Mont im leichten Morgennebel oder in der Abenddämmerung seinen ganzen Zauber. Am Besten erlebst du diesen Effekt im Frühling und Herbst. Nicht ohne Grund wird der Ort auch „La Merveille“, zu deutsch „das Wunder“ genannt.

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